Sankt-Jakobs-Platz - 20 Jahre Neugestaltung

Sankt-Jakobs-Platz – 20 Jahre Neugestaltung

Vor 20 Jahren wurde der Wettbewerb für die Neugestaltung eines zentralen Platzes in der Altstadt von München ausgelobt: den Sankt-Jakobs-Platz. Er soll laut Stadt “Freiraum zum Flanieren, Spielen und Entspannen” bieten. “Hier treffen sich Gläubige, Kulturinteressierte und Passanten.”, so die Stadt München

Der Platz war nach dem II. Weltkrieg komplett zerstört und diente in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts v.a. als Parkplatz („autogerechte Stadt“). Sein Name geht wohl zurück auf eine Sankt- Jakobs-Kapelle, welche Franziskanermönche hier im 13. Jahrhundert errichteten. Der Platz galt über Jahrhunderte hinweg als bedeutender Marktplatz; davon ist heute nichts mehr übrig.

Neues Jüdisches Zentrum

Im Südwesten begrenzen den Platz das älteste Kloster München, St. Jakob am Anger, im Nordosten das Stadtmuseum (https://www.muenchner-stadtmuseum.de/). Mit der Neugestaltung fand die Israelitische Kultusgemeinde wieder eine Heimat an einem zentralen Ort in München mit Synagoge, Jüdisches Museum und privatem Gymnasium (https://www.ikg-m.de/).

Vor allem die Synagoge Ohel Jakob mit ihrer Verkleidung aus gelbem Travertin, der an die Klagemauer in Jerusalem erinnert und die darauf aufgesetzte, lichtdurchflutete Stahlkonstruktion, dominiert den Platz. Ansonsten wirkt die Würfelform der übrigen Gebäude (Museum, Gymnasium) sehr streng. Das auf der gesamten Fläche von mehr als einem Hektar verlegte Granitpflaster mag zwar der historischen Bebauung entsprechen, wirkt jedoch aus meiner Sicht sehr massiv und steril. Die komplette Versiegelung des Platzes ist ökologisch sicher wenig hilfreich.

Leben rund um den Platz

Und wie empfindet der Besucher den Platz? Für die einen ist er nur Durchgangsstation von den Shoppingmeilen der Innenstadt zu den Wohnungen im Glockenbach-Viertel. Das gilt v.a. für die kalte Jahreszeit. Dem großzügig angelegten Spielplatz vor dem Museum mangelt es etwas an Kindern, da die Wohngebäude weit weg sind. Am Shabbat kann man hier manchmal ein Stück jüdisches Leben mitbekommen, wenn die Gläubigen die Synagoge besuchen und dabei ihre traditionelle Kleidung anlegen. Allerdings erfolgt das alles unter strengen Sicherheitsvorkehrungen aus Furcht vor Übergriffen oder Anschläge.

Doch zum Verweilen lädt der Platz auch nach der Neugestaltung nur ein, wenn die Sonne scheint und die Außengastronomie der Museen öffnet. Dann kann man hier besonders an Wochenenden die Stille abseits der Shoppingmeilen genießen. Und der Blick auf die goldgelbe Synagoge lädt ein zum Träumen von Reisen in warme ferne Länder. Außerhalb dieser Außengastronimie sind die Aufenthaltsmöglichkeiten sehr beschränkt, weil schattenspendende Bäume fehlen. An Sitzgelegenheiten gibt es inzwischen etwas mehr. Sicher nicht ohne Hintergedanke ist vor der Synagoge der streng gläubigen Gemeinde inzwischen eine bunt angestrichene Bank des schwulen Alpenvereins platziert.

Und als Fotograf? Der Platz ist ein ideales Spielfeld für Licht und Schatten, für Streetfotografie vor architektonisch klaren Linien und Flächen. Aber viel Leben ist hier nicht. Insofern zeigen die Fotos ein realistisches Bild des Platzes.

 

3 Gedanken zu “Sankt-Jakobs-Platz – 20 Jahre Neugestaltung


  1. Lieber Jürgen,
    jetzt muss ich Deinen Bericht zum Jakobsplatz denn doch etwas kommentieren. Städte leben von zwei Arten von Plätzen: von Plätzen für die Erholung und zum Ruhe finden mit Grün und Sitzmöglichkeiten – und sie leben von Plätzen der Urbanität, die die Stadt auch als urbanen Raum erlebbar machen. Eine Stadt, die nur lauter kleine Grüne Oasen hätte, wäre eher ein Dorf. Große Städte brauchen auch genau diese urbanen Plätze. Sie vermitteln die Möglichkeit der Verbundenheit mit der Stadt – sie machen sie einzigartig und sie sind Identifikationsorte. Mit welchen Plätzen verbindest Du Paris? London? Rom? Doch eher mit dem Arc de Triomphe, dem Piccadilly und dem Piazza Navona…diese Plätze wirken, weil sie die Gebäude freistellen. Sie sind Plätze des Treffens und für Kundgebungen und für städtisches Leben – nicht für das erholsame Leben auf grünen Plätzen. Auf dem Odeonsplatz steht auch kein Baum – er ist ein Gesamkunstwerk. Genau wie der Wittelsbacher Platz (Okay, der Platz vor der Oper ist furchtbar, der wurde der autogerechten Stadt geopfert). Klar lässt sich einwenden, die Zeiten solcher Plätze sind vorbei – heute müssen sie mit Blick auf den Klimawandel grün und nicht versiegelt sein – ich denke, eine Stadt braucht viele grüne Plätze und Orte und Bäume – aber nicht überall – urbanes Leben funktioniert im Birkenwäldchen nur bedingt.
    Zum Jakobsplatz: die Synagoge musste freistehen, sie sollte diesen Auftritt haben mitten in der Stadt und nicht hinter Grün verschwinden – gerade der Auftritt des jüdischen Lebens als Zentrum des Platzes macht sie aus und ist m. E. auch politisch so gewollt – und wichtig. Nach dem Abbruch der alten Hauptsynagoge durch Hitler war das jüdische Leben auch nach 1945 in den Hinterhof in der Reichenbachstraße abgedrängt. Und es sollte ein Bauwerk werden, das nichts rückwärts gewandtes hat sondern eine moderne Anmutung, die auch als Bau zeigt, dass hier dauerhaft und in Zukunft jüdisches Leben stattfindet. Natürlich gebe ich Dir recht, dass der Platz auch dem Sicherheitsbedürfnis der jüdischen Gemeinde untergeordnet ist – aber dafür ist der Platz sehr offen geworden: keine Zäune, keine offensichtlichen Wachen, keine Kontrollen wer den Platz betrifft…der Preis dafür ist das in-sich-Gekehrtsein der Gebäude.
    Ich finde den Platz gelungen – und gerade Deine Fotos zeigen sehr schön,wie sehr der Platz gelungen ist: kluge Durchblicke, Spielplatz am einzigen Ort wo es auch möglich macht, die Kunst/der Brunnen den Gebäuden untergeordnet.

    Und die Fotos sind wie immer: sehr beeindruckend.
    Gruß Sigi

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