Die Crofter – eine schottische Spezies

Tag #5 (Nachtag)

Wer verstehen will, warum die Highlands so weitgehend baumlos, der Landstrich so entvölkert erscheint, muss zurückblicken in das 18. und 19. Jahrhundert, die Zeit der Vertreibung der angestammten Bevölkerung. Nur wenige Menschen konnten auf dem Land verbleiben und mussten sich als Crofter verdingen – eine schottische Spezies.

Alternativprogramm Bauernmuseum

Nach all den steinernen Zeugnissen des Wirkens der schottischen Clans in Form von Kirchen, Ruinen und Castles nutzten wir am 5. Tag unserer Reise die Gelegenheit, in der Nähe von Invernaray ein Dorfmuseum zu besuchen. Es handelt sich um die Überreste eines kompletten schottischen Dorfes, alle Häuser und Stallungen sind im Originalzustand. Es war übrigens das einzige Mal in der 10-tägigen Schottland-Reise, dass wir unsere Regenjacken brauchten. Der wolkenverhangene Himmel passte perfekt zur düsteren Szenerie, die sich uns in diesem Dorf bot. Deshalb auch die nachfolgenden Bilder in Schwarzweiß.

Die Entvölkerung der Highlands und die Ausbreitung der Crofter

Die Highlands und die vorgelagerte Küstenregion sind sehr dünn besiedelt. Das hat zum einen Ursachen in den klimatischen Verhältnissen, der Großteil ist jedoch menschengemacht. Durch die sogenannten Highland Clearances (welch ein Euphemismus) vertrieben die Gutsbesitzer teilweise mit brutaler Gewalt vom Ende des 18. bis weit hinein in das 19. Jahrhundert die vorwiegend bäuerliche Bevölkerung. Das Land wurde fortan für die Schafzucht genutzt. Die Wolle ging in die englischen Webereien und erzielte für die Gutsbesitzer deutlich größere Gewinne als die Landwirtschaft. Entweder wanderten die Menschen aus, wurden Fischer oder Hilfsarbeiter oder verdingten sich als Crofter auf minderwertigem Land, das man ihnen zuwies. Crofter waren rechtlose Pächter, denen der Gutsherr ein Stück Land gegen eine Pacht hinterließ. Es langte weder zum Leben noch zum Sterben. (Übrigens beschreibt das englische Weihnachtepos “Little Lord Fauntleroy” die Situation der rechtlosen Pächter im benachbarten England sehr gut).

Auchindrain, das verlassene Dorf

Auf dem Land der Campbells, südlich von Invernaray liegt noch ein gut erhaltenes Dorf, das heute als Museumsdorf der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Der 8. Duke of Argyll, der woanders analog seiner Kollegen die Bauern vertrieb, versprach sich hier in Auchindrain mehr davon, indem er neue landwirtschaftliche Methoden und Fruchtfolgen ausprobierte. Die alten Lehmhäuser wurden durch Steinhäuser ersetzt. Es war sein Vorzeigeprojekt und er konnte sogar Queen Victoria 1875 zu einem Besuch bewegen. Bis 1967 der letzte Bewohner das Dorf verließ, war die Dorfgemeinschaft noch intakt.

Beim Betreten der alten Bauerhäuser könnte man den Eindruck gewinnen, als seien die Bewohner nur mal kurz weggegangen. Den Museumsbetreibern muss man zugute halten, dass sie bei der Konservierung des Dorfs nichts “aufhübschen”, wie es bei manchen Bauernmuseen bei uns geschieht. Doch die Szenerien sind bedrückend, wenn man sich vorstellt, daß es keine 60 Jahre her ist, als hier noch Betrieb herrschte. Keine Spur von bäuerlicher Idylle.

Beim Museumsbesuch erhält man ein Tablett und kann darin Geschichten über die ehemaligen Dorfbewohner lesen. Der happige Eintrittspreis von 12 £ pP (vor Corona 7,5 £) hält sicher den Besucheransturm in Grenzen.

Alle Reiseblogs über die Schottlandreise in 2023:

Tag 1: Ankommen am Hexenfelsen
Tag 2: Quer durch die Highlands
Tag 3: Mit Volldampf an die Küste
Tag 4: Oban – die verblasste Schönheit
Tag 5: Die steinernen Zeugnissse eines schottischen Clans
Tag 6: Loch Lomond – der Haussee der Schotten
Tag 7: Zwischen Aufstieg und Niedergang

Die Reiseroute findest du beim Tag 1.

7 Gedanken zu “Die Crofter – eine schottische Spezies

Kommentar verfassen