Tag #3 der Reise durch das schottische Hochland
Nach so viel Landschaft und diversen Lochs zog es uns – im wörtlichen Sinn – mit Volldampf an die Küste. Die gut ausgebaute A830 führt einen durch eine herrliche Hügellandschaft dort hin. Durch das sonnige und für schottische Verhältnisse ungewöhnlich warme Wetter waren wir allerdings nicht die Einzigen mit diesem Plan. So mussten wir umdisponieren und erreichten am Abend die Hafenstadt Oban einen Tag früher als geplant.
Ein filmreifer Zug
Auf halbem Weg zwischen Fort William und dem Küstenort Mallaig kommt man an Glenfinnan vorbei. Zunächst ist dieser Ort für viele Schotten ein so geschichtsträchtiger, dass sie mitten in die Natur ein Monument stellten und ein Besucherzentrum errichteten. Wir ersparten uns die nähere Betrachtung des in Stein gemeißelten Schotten auf der Säule, da gerade mal wieder südländische Temperaturen herrschten. Dargestellt ist ein Prinz Charles, (nicht der heutige König, sondern ein Charles Edward Stuart), der hier 1745 aus Frankreich kommend landete und Truppen sammelte, um seinen Anspruch auf den schottischen und englischen Thron für seinen Vater durchzusetzen. Das Vorhaben scheiterte und er floh wieder zurück nach Frankreich. Immerhin erhielt er für seinen Einsatz ein monströses Denkmal.

Für Nicht-Schotten hat dieser Ort noch eine ganz andere Bedeutung. Landeinwärts steht eine 380 Meter lange Eisenbahnbrücke mit 21 Pfeilern, eingeweiht 1901, um die Waren aus dem Hafenort Mallaig ins Landesinnere bis Fort William zu transportieren. Auf dieser Brücke fahren heute mit Dieselloks betriebene Güterwaggons und – das ist das Besondere – ein historischer, dampflokbetriebener Personenzug, der in zahlreichen Filmen zur Berühmtheit aufstieg (Harry Potter, Das doppelte Lottchen usf.). Auch hier ersparten wir uns den Gang durch die Hitze zu den Brückenpfeilern, sondern warteten bequem einige Kilometer streckenabwärts, bis der berühmte Zug an uns vorbeidampfte.




Karibikfeeling
Unser Tagesziel war ursprünglich, den Abend am feinen Sandstrand bei Arisaig zu verbringen und Fotos vom Sonnenuntergang im Meer zu schießen. Doch ausgerechnet dieses Mal hatten wir keinen Stellplatz im Voraus reserviert. Obwohl kein Wochenende, aber ungewöhnlich warm, waren alle Stellplätze belegt. Auch die wenigen freien Standplätze waren alle besetzt, bzw. für unsere 7,5 Meter lange Kiste zu klein. So mußten wir uns mit einem kurzen Strandbesuch begnügen und das aufkommende Karibikfeeling schnell wieder beenden.

Versunkene Seereiche
Die Programmänderung bedeutete eine Weiterfahrt zum nächsten Zielort nahe des Hafenorts Oban. Die zusätzlichen zwei Stunden Fahrtzeit gestalteten sich doch recht anstrengend, hielten aber eine bis dahin neue Erkenntnis bereit: es gab zum Ende des Mittelalters in Schottland sogenannte Inselkönigreiche (Sea Kingdoms), deren Zeugnisse wie Perlen einer Kette entlang den Küsten noch zu bewundern sind. Hier der noch recht guterhaltene Turm des Castles Stalker im Loch Linnhe:

Diese Burgen wurden im Mittelalter ins Wasser gebaut, da sie dadurch günstiger erreichbar waren. Landwege waren rar und kaum befestigt. Die Bewohner entwickelten einen eigenen Schiffstyp, abgeleitet von den Wikkingerschiffen, genannt Birlinn, mit denen sie ideal in den seichten Ufergewässern manovrieren konnten. Mittels dieser Schiffe bekämpften sie die Wikkinger, die die schottische Küste über vier Jahrhunderte beherrschten und errichteten eigene Sea Kingdoms. Übrigens tauschte der letzte der Gründerfamilie der Burg Stalker im Vollrausch das gesamte Anwesen gegen ein Birlinn ein.
Stille Fjorde
Am Ende eines langen Reisetages erreichten wir dann doch noch unser Ziel, einen Campingplatz unweit des Hafenorts Oban mit einem terassenartigen Stellplatz mitten im Grünen und toller Aussicht auf den Fjord.





Die Reiseblogs über die Schottlandreise in 2023 sind gerade im Entstehen. Bisher erschienene Blogs:
Tag 1: Ankommen am Hexenfelsen
Tag 2: Quer durch die Highlands
Tag 4: Oban – die verblasste Schönheit
Tag 5: Die steinernen Zeugnisse eines schottischen Clans
Tag 5 (Nachtrag): Die Crofter – eine schottische Spezies
Tag 6: Loch Lomond – der Haussee der Schotten
Tag 7: Zwischen Aufstieg un Niedergang
Die Reiseroute findest du beim Tag 1.
Lieber Jürgen,
danke für den Einblick in den Reisealltag. Flexibilität ist eine wesentliche Eigenschaft, um auch in unvorhergesehenen Situationen den Spaß nicht zu verlieren. Und so ist es auch mit der Reisefotografie, die Reihe der Kompromisse ist lang. Weiterhin viel Spaß wünscht
Horst