
„Ich brauche die Sonne“, meint Tsonka Mateva, als sie sich zum Interview einen Stuhl im Café aussucht. Kein Wunder, kommt sie doch aus der sonnenverwöhnten Hauptstadt Bulgariens, Sofia. Überhaupt macht Sie einen zuversichtlichen Eindruck, wie jemand, der Herausforderungen gerne annimmt. So auch die sprachlichen. Nach einem dreiviertel Jahr in der Schweiz, war sie in München doch überrascht, dass deutsche Sprache so verschieden sein kann. Seit gut neun Monaten lebt und arbeitet Sie hier in München. Morgens zur Sprachschule, für den „B1-Abschluss“ gelernt, nachmittags dann als Verkäuferin im Coffee-Shop auf dem Bahnsteig unter dem Odeonsplatz.Sie ist alleine nach München gekommen. Das belastet sie jedoch nicht. Sie hat Vertrauen in die Menschen und findet schnell Kontakt. Allerdings ist es hier anonymer als in Sofia, wo die Verkäuferin im kleinen Geschäft um die Ecke die Lebensgeschichten ihrer Kunden noch kennt und an deren Leben teilnimmt. Das kann man vom Coffee-Shop unterm Odeonsplatz nicht sagen. Aber das ist auch das kleinere Problem. Die Sonne fehlt da unten. Ihr Arzt hat festgestellt, dass ihr Eisen- und Vitamin D-Gehalt im Blut durch das fehlende Tageslicht stark abgenommen hat. Auch den Staub der vorbeifahrenden U-Bahnzüge empfindet Sie als Belastung.
Was Sie sich für die Zukunft vorstellt? Spontan kommt die Antwort, dass Sie das Leben als Abenteuer sieht, wer weiß wo es hinführt. Wichtig ist das hier und heute. Eins will sie nicht mehr: zurück in ihre Arbeit als Chefbuchhalterin in Sofia. Nochmals den „B1“ widerholen, damit sie die Grammatik der deutschen Sprache besser versteht. Und an ihrem Projekt weiterarbeiten: einmal Schriftstellerin zu werden. Zwei Teile ihres Romans hat sie schon geschrieben. In bulgarischer Sprache. Auf deutsch und englisch, wäre ihr Ziel.
Als wir das Interview machten, hat Sie den Job unter der Erde bereits aufgegeben. Nicht nur die gesundheitlichen Belastungen machten ihr zu schaffen, sondern auch das alleine arbeiten. Dabei lerne ich die Sprache nicht, sagt Sie. Im neuen Job hat sie mehr Kollegen und kann die Sprache besser erlernen.
„Jetzt werde ich meinen freien Tag und den Sonnenschein genießen“, verabschiedet sie sich nach dem Interview.
(Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Ausstellung „Menschen, die im Untergrund einer Stadt arbeiten)