Fahren? Lieber nachts.

Günter Pöpperls Markenzeichen ist die Pfeife, ein ganz besonders ausgefallenes Stück. Die steckt er während der Wartezeiten mit viel Hingabe an, aber selbstverständlich nur außerhalb des Taxis. Wenn die Wartezeit am Taxistand einmal länger dauert, dann wird Zeitung gelesen oder Sudoku gelöst.

Wie wird man zum „Taxler“? In den 80er Jahren, so klärt er uns auf, war es der Studentenjob schlechthin. Wo sonst konnte man mit Anfang 20 einen nagelneuen 5er BMW fahren? Da dauerte das Maschinenbau- und Luftfahrttechnikstudium zwangsläufig länger. Und als er endlich den Abschluss hatte, stürzte die Raumfähre Ariane ab und im Großraum München gab es keine Stellen für Ingenieure dieser Fachrichtung. Also weiter Taxi fahren. Zwischendrin organisierte er zwei Jahrzehnte lang den Einkauf von Ersatzteilen für Taxifahrzeuge. Seit 2010 fährt er mit seinem Großraumtaxi wieder vorwiegend nachts.

Am Pasinger Bahnhof, wo wir uns mit ihm verabredet haben, geht es Schlag auf Schlag, ein Taxi nach dem anderen verlässt den Stand. Dann heißt es nachrücken, um Platz zu machen. Nichts für ihn, der es lieber etwas entschleunigter mag und daher die großen Standplätze eher meidet.

Was er gerne fährt sind Schienenersatzverkehr und Buszubringerdienste. Wenn Reiseunternehmen ihre Kunden z.B. von Garmisch, Murnau oder anderen Orten abholen lassen, damit diese frühmorgens zum Busbahnhof gelangen, spart dies Lenkzeiten bei den Busfahrern.

Seit ein paar Jahren ist Günter Pöpperl zertifizierter Gästeführer und fährt für den Verein Taxi-Guide zumeist ausländische Touristen zu den Sehenswürdigkeiten Münchens. Er bringt Sie an Orte, die nicht unbedingt von den bekannten Sightseeing-Bussen angefahren werden und organisiert auch mal eine Brotzeit im Biergarten für seine italienischen Fahrgäste.

Günter Pöpperl fährt lieber in der Nacht, da ist das Fahren wesentlich entspannter, die Straßen sind frei, er ist „King of the Road“. Mit seinem Privatleben kann er das gut vereinbaren, seine Kinder sind bereits groß. Er kann seinen Rhythmus an die Nachtschicht anpassen und bis mittags schlafen. Außerdem gibt es da noch seine Pfeife, die er zur Entspannung und zum Wachhalten zwischen den Fahrten raucht.

(Der Beitrag ist Teil des Fotoprojekts „Nachtschicht in München“)

Fotos: M.Hetzer, H.Schütz, J.G.Schulze

2 Gedanken zu “Fahren? Lieber nachts.


  1. Sehr detaillierter Text, schön auch der Anfang mit dem Studium. Es muss eine Zeit gewesen sein, in der die Lebensläufe vieler Student*innen einen anderen Weg nahmen, als erwartet.
    Das letzte Bild ist fast romantisch. Passt irgendwie gut zum „King of the Road“.


    1. Vielen Dank. Ja, beim letzten Bild wollten wir seine Überlandfahrten / Zubringerdienste thematisieren. Eigentlich sollten im Hintergrund die Berge zu sehen sein, war aber an diesem Abend nicht. Dafür ein herrlicher Abendhimmel. Am 09. Januar stellen wir das gesamte Projekt in München im Rahmen einer Ausstellung vor. Mehr demnächst auf diesen Seiten.

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